Leseprobe: Bubenstreiche:

Ich war inzwischen schon ein Lausbub geworden und hatte mir angewöhnt, statt durch die Haustür, durch das Küchenfenster ein- und auszusteigen. Mathild wollte mir das abgewöhnen und als alles Zureden nichts half, hielt sie, als ich wieder einmal einsteigen wollte, das Küchenfenster von innen zu.

Das hatte fatale Folgen, denn ich schlug, von Wut gepackt, durch das Fenster und verletzte mir die Schlagader. Das Blut spritzte und Panik entstand. Meine Mutter band mir geistesgegenwärtig den Oberarm ab und schleppte mich über den Tölzer Berg hinauf zu unserem Bergwachtsarzt, der seinerzeit nicht nur Schiunfälle behandelte, sondern auch praktischer Arzt war. Oben angekommen, fielen erst meine Mutter in Ohnmacht und dann ich. Aber der Doktor konnte uns Gott sei Dank helfen. Als alles wieder verheilt war, bekam ich ein sehr teueres Samtjäckchen und meine Mutter ermahnte mich, sehr darauf aufzupassen. Es waren ja Kriegszeiten und das Jäckchen hatte sie bestimmt eine halbe Kiste Butter gekostet.

Dummerweise hatte ich die Ermahnung bald vergessen und als ich die Jacke einmal anhatte, kam mein Freund Benno, von der Bahnhofswirtschaft, und wir gingen zum Bahngelände zum Spielen. Dabei kam fatalerweise eine offene Öldose mit meiner Samtjacke in Berührung und ergoß sich über das kostbare Stück. Somit war die Jacke im Eimer. Als ich nach Hause kam, war der Ärger wirklich groß und ich bekam zum ersten- und letztenmal richtige Ohrfeigen von meiner Mutter.

Eine große Attraktion in der Kaltenbrunnerstraße, wo wir auch immer spielten, wurde mein französisches Kinderfahrrad mit Vollgummireifen, das bestimmt auch in Butterwährung  bezahlt wurde. Man konnte nämlich damit, anders als mit normalen Fahrrädern, über Reisnägel fahren, ohne daß etwas passierte. Alle meine Freunde, voran der Benno und der Fritz, lernten damit Fahrradfahren. Allerdings hatte der Benno das mit den Vollgummireifen übertrieben, als er über einen Haufen Spanholzkisten gefahren ist. Den Reifen war nichts passiert, aber der Benno sah aus wie ein Igel. Und die Eva hat sich einmal einen Zahn ausgeschlagen, als sie dem Adi zeigen wollte, wie gut sie schon fahren kann. Übrigens hatte ich das Radl doch noch zu Weihnachten 1945 bekommen, obwohl mir das Christkind ziemlich die Leviten gelesen hatte. Den Brief hatte natürlich meine Mutter mit verstellter Schrift verfaßt. Das Christkindl schrieb u.a.: "Das Fahrrad vom Adi will ich aber einem braveren Kind geben, da ich nur eins habe. Es hängt also von Dir ab, ob Du es bekommen kannst. Also sei schön folgsam, dann will ich mal sehen." Wie erwähnt, hatte Bennos Vater die Bahnhofswirtschaft in Gmund, mit einem schönen Biergarten. Der Hausmeister der Wirtschaft, der Michä, hatte die Angewohnheit immer an einen bestimmten Kastanienbaum zu pinkeln. Dies führte natürlich dazu, daß wir Buben, wenn wir ihn beim Bieseln ertappten, uns hinstellten und sangen: "Michä, Machä, brunzats Kachä". Daraufhin wurde der Michä immer fuchsteufelswild. Wir waren aber immer schon längst weg, ehe er uns erwischen konnte.

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